Archiv: Teilnehmerinnen am "Berliner Flussbad Pokal" schwimmen an der Museumsinsel 2016 in der Spree. (Bild: dpa/ Paul Zinken)

Berlin Schwimmen in Berliner Spree bleibt Zukunftsvision

Stand: 19.05.2025 19:24 Uhr

Schwimmen in der Innenstadtspree gilt als Leichtsinn – zu sehr hat der Fluss ein Imageproblem als Kloake und Müllhalde. Die Wiederbelebung eines Flussbads in Mitte soll das ändern. Doch dem stehen noch einige Hürden im Weg. Von Sylvia Lundschien

  • Bis zum Verbot vor rund 100 Jahren zahlreiche Flussbäder in der Spree
  • Verein "Flussbad" kämpft für Ende des Schwimmverbots in der Spree
  • Bezirk Mitte hält Badestelle am Spreekanal für realistisch.
  • Senatsverwaltung hat Bedenken wegen Wasserqualität
  • für Dienstag geplante Demo kurzfristig abgesagt

Wer im Berliner Hochsommer nach schneller Abkühlung sucht, muss teils weit fahren und auch immer damit rechnen, dass alle anderen rund vier Millionen Mit-Berliner genau dasselbe wollen. So stößt man in manchem Freibad fast mit den Köpfen im Becken zusammen, und die Berliner Badeseen sind von einem engmaschigen Handtuchteppich umsäumt. Dabei hätten erfrischungssuchenden Berliner ohne Pool oder Datsche im Grünen sogar noch eine Alternative parat – den beherzten Sprung in den nächstbesten Fluss.

Symbolbild: Skulpturen "Badende" an der Spree, Spreepromenade Berlin Mitte. (Quelle: dpa/Nerger)
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Davon hat Berlin praktischerweise gleich drei – die Dahme im Osten, die Havel im Westen und die Spree in der Mitte. Während man sowohl in Dahme als auch Havel an vielen Stellen unbedenklich baden kann (das Lageso überprüft dies jährlich in der Badesaison vom 15. Mai bis 15. September), würden viele nicht einmal den kleinen Zeh in die Spree halten. Noch immer gilt der Sprung in Berlins Stadtfluss als Mutprobe oder Schnapsidee im Vollrausch – verbunden mit zig Horror-Storys über anschließende Haut- und Verdauungsprobleme aufgrund der Wasserqualität. Die Spree hat ihren Ruf weg als City-Kloake, Müllhalde und ramschige Partymeile, erlaubt ist das Schwimmen in ihr sowieso nicht.

Baden in der Berliner Spree war vor 100 Jahren noch üblich

Allerdings waren Planschen und Schwimmen in der Spree vor gut 100 Jahren noch üblich. Während Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts rasant wächst und viele Mietskasernen weder Klos noch fließend Wasser haben, können die Berliner immerhin zwischen bis zu 15 Flussbädern direkt an der Spree wählen. Historische Aufnahmen zeigen Wasserliebhaber an schlichten Spreestrand-Brachen, vor dem Kraftwerk in Lichtenberg oder ganz mondän unterhalb des Berliner Stadtschlosses im Spreekanal. Doch die Spree musste schon damals viel Schmutz und Abwasser aufnehmen – zu viel, sodass Anfang des 20. Jahrhunderts ein Badeverbot verhängt wurde. Dies gilt bis heute, auch wenn der Bezirk kürzlich Planungen für den Sommer 2026 für eine sogenannte Pilotbadestelle an der Spree bekannt gegeben hat.

Europaweit gibt es eine lange Tradition der Flussbadekultur

Dabei läge nichts näher, als im Hochsommer in der Stadt in den nächstbesten Fluss zu springen – ein Gedanke, der in ganz Europa weit verbreitet war und ist. Fast jede Metropole mit Fließgewässer hatte oder hat eine eigene Flussbadekultur. Erhalten hat sie sich beispielsweise in München mit der Isar, in Zürich mit der Limmat oder in Kopenhagen, das seine Hafenbecken badetauglich gemacht hat. Andernorts sollen alte Flussbäder wieder ertüchtigt werden – für direkten und unkomplizierten Badespaß ganz ohne Kaiserbad-Kurort-Chichi oder Schlangestehen am Freibad, kombiniert mit moderner Technologie und Wissenschaft für ein unbedenklichen Schwimmerlebnis. Argumente, mit denen auch Jan Edler überzeugen will.

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Flussbad-Verein will Baden in der Spree wieder ermöglichen

Jan Edler und sein Bruder Tim sind Architekten sowie Vorstände im 2012 gegründeten Verein "Flussbad e.V." mit laut eigener Aussage über 500 Mitgliedern. Ihr Ziel: Baden in der Innenstadtspree für alle – genauer gesagt im Spreekanal zwischen Friedrichsgracht und der Spitze der Museumsinsel am Bode-Musem.

Spreekanal ist Bundesschifffahrtsstraße

Die Idee kam den Brüdern Ende der 90er Jahre, so Edler im Gespräch mit dem rbb. Damals hatten die beiden ein Atelier am Monbijoupark und der Spreekanal war im Grunde nur eine Funktionsbrache, die nur noch der Hoch- und Abwasserzufuhr diente, so Edler. Auch Schiffe fuhren dort keine mehr. Sein Bruder Tim kam auf die Idee, man könnte an dieser Stelle schwimmen gehen. Es folgten Förderungen, Maßnahmen und Projektentwürfe, aber auch Kritik an der Finanzierung eines Projekts. Doch auch mehr als ein Jahrzehnt nach Vereinsgründung gibt es weiterhin kein Flussbad im Spreekanal.
 
Die Gründe dafür sind vielfältig. So erläutet die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt auf rbb-Anfrage, dass der Spreekanal eine Bundesschifffahrtsstraße und deshalb dort das Schwimmen verboten ist. Hinzu kommt, dass der Spreekanal von zehn Brücken überspannt ist. Laut Berliner Badegewässerverordnung ist das Baden 100 Meter oberhalb und unterhalb von Brücken aus Sicherheitsgründen verboten. Geändert werden soll dies erst einmal nicht. Auch der Denkmalschutz, Müll und Kampfmittel auf dem Grund des Flusses spielen eine Rolle.
 
Der Bezirk Mitte will das allerdings bis zum Sommer 2026 ändern und hält eine Badestelle am Spreekanal für realistisch. "Es gibt noch viele Dinge, die geklärt werden müssen, aber ich bin optimistisch, dass es gelingen kann", sagte der zuständige Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD) am vergangenen Donnerstag. Er verweist hierbei auch auf das Beispiel der Pariser Seine. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zeigt sich bisher aber weniger begeistert von einer abgespeckten Version des Flussbades.

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Mischkanalisation spült Fäkalkeime in Berliner Innenstadtspree

Doch das wichtigste Gegenargument, so die Senatsverwaltung, bleibt wie vor 100 Jahren die Wasserqualität in der Innenstadtspree, die sich besonders nach Starkregen verschlechtert. Das Problem: In vielen Teilen der Innenstadtspree – auch da, wo das Flussbad sein soll – gibt es eine sogenannte Mischkanalisation. Regnet es stark, läuft diese über. Neben Regenwasser landet dann auch Abwasser mit gesundheitsschädigenden Fäkalkeimen in der Spree. Diese wiederum braucht einige Zeit, um die Stoffe abzutransportieren oder so zu verdünnen, dass sie nicht mehr gesundheitsgefährdend sind. Auf rbb-Anfrage verweist die Senatsverwaltung zwar auf laufende wissenschaftliche Untersuchungen zur Wasserqualität der Spree. Dennoch bleibt es aktuell beim Badeverbot.
 
Beim Flussbad-Verein kommt das nicht gut an. "Berlin macht es sich bequem", so Jan Edler. Er sagt, er finde das Badeverbot zwar historisch verständlich. Doch die Spree sei mittlerweile viel sauberer als noch vor Jahrzehnten – aber eben nicht jeden Tag in gleicher Qualität, so wie ein Schwimmbad. Der Verein setzt daher auf tagesaktuelle Prognosesysteme, die Schwimmer informieren, ob man in der Spree gefahrlos baden könne. Jene Prognosen, erklärt Edler, basieren einem Rechenmodell, das historische Messdaten der Spree mit Wetterdaten kombiniert sowie die Fließgeschwindigkeit berücksichtige. Einmal pro Jahr werden die Datensätze eingepflegt und dadurch wird das System immer genauer in seiner Voraussage. Außerdem erhält das Flussbad Daten von den Berliner Wasserbetrieben, ob die Mischkanalisation im Einzugsgebiet nach einem Wettereignis übergelaufen ist.

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Flussbad-Verein setzt auf modernes Wasser-Monitoring bei der Spree

Zusätzlich entnimmt der Verein in der Badesaison zwischen Mai und bis Mitte Oktober einmal wöchentlich Wasserproben und bringt sie ins Labor. "Da haben wir die Möglichkeit zu gucken, ob das Prognose-Modell on track ist", so Edler. Mehr als 90 Prozent der Zeit von Mai bis Mitte Oktober gebe es eine "mindestens ausreichende Wasserqualität gemäß Kriterien der Badegewässerrichtlinie", so der Vereinsvorstand. Anhand der Prognosen könne dann jeder selbst entscheiden, ob er ins Wasser geht, auch wenn die Wasserqualität nur "ausreichend" ist.
 
Aus Edlers Sicht wäre dies auch eine Lösung für einen etwaigen Umbau der Mischkanalisation im Bereich des geplanten Flussbads. Denn dieser wäre wohl nicht nur teuer, sondern vielleicht auch technisch nicht möglich. In Kopenhagen gebe es das Prognose-System bereits. Ist dort die Mischkanalisation überlastet, wird das Baden zeitweilig verboten.

Geplante Flussbad-Demo in der Spree findet nicht statt

Dem Verein geht es aber um mehr, als nur eine weitere Badestelle in Berlin-Mitte – sondern auch um einen Perspektivwechsel, so Edler. Viele Menschen hätten den Bezug zur Spree als städtischem Lebensraum verloren, sähen sie als wertlose "Kloake". Dabei böten die Innenstadtspree und ihre Ufer einen Kontrast zu einer zunehmend musealisierten und durchkommerzialisierten Berliner Stadtmitte – unter anderem mit kostenlosem Verweilen oder Schwimmen. Dies werde auch noch einmal wichtiger mit der stärkeren Aufheizung der Städte durch den Klimawandel, betont Edler.
 
Nun sollte auch wieder Bewegung in die Sache kommen. Der Flussbad-Verein hatte für den 20. Mai eine Demo geplant – natürlich zu Wasser. Unter dem Motto "100 Jahre Schwimmverbot - Berliner Badeverbot ist eine Ente" wollte der Verein gegen das Badeverbot in der Spree, das vor 100 Jahren in Kraft trat, protestieren. Doch die Demo wurde am Montag wegen Sicherheitsbedenken der Wasserschutzpolizei abgesagt. Nun will der Verein einen neuen Termin festlegen.
 
Die Demo soll auf die insgesamt bessere Wasserqualität der Spree hinweisen, aber auch die eigenen Monitoringsysteme, die Schwimmern zuverlässig anzeigen sollen, ob die Wasserqualität am Badetag ausreichend ist. Es wäre nicht die erste PR-Aktion, so gibt es seit 2015 auch den sogenannten "Flussbadpokal", bei dem Schwimm-Fans den Kupfergraben vom Wasser aus erkunden können – legal sind diese Aktionen jedoch nicht.

Symbolbild: Das Stadtschloss spiegelt sich im Wasser des Spreekanals. (Quelle: dpa/Soeren Stache
Bauarbeiten für Freitreppe am Humboldt-Forum sollen im Spätsommer beginnen
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Spree-Freitreppe am Humboldt Forum soll 2027 fertig werden

Auch in der Senatsverwaltung geht man einen nächsten Schritt. So bestätigte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) Mitte April der Deutschen Presse-Agentur, dass die seit 2019 angekündigten Bauarbeiten für die Freitreppe am Humboldt-Forum im Spätsommer 2025 beginnen sollen. Die Freitreppe mit dem Namen "Schlossfreiheit" ist direkt vor dem Berliner Stadtschloss geplant – dort, wo es vor dem Badeverbot in der Spree auch ein Flussbad gab. Im Juli 2027 soll die Freitreppe fertig sein, die Kosten belaufen sich auf circa sieben Millionen Euro, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf rbb-Anfrage bestätigte. Ursprünglich war sie zudem als Einstieg in das Flussbad am Spreekanal geplant, doch davon ist keine Rede mehr. Stattdessen endet sie nun am Wasser – als Ort zum Verweilen. Auch Jan Edler bestätigt, dass mit dem Bau der Treppe erst einmal kein Flussbad verknüpft sei. Er fügt aber hinzu, dass man die Treppe auch später noch so ertüchtigen könne, sodass der Einstieg in den Spreekanal möglich wäre.


Nicht zuletzt findet aktuell die Auswertung eines zweijährigen Messprojekts zwischen Flussbad und der Senatsverwaltung für Umwelt statt. 15 bis 20 weitere mikrobiologische Parameter wie Viren und Parasiten habe man sich neben Bakterien wie Enterokokken und E. choli angeschaut – und nach ersten Erkenntnissen sieht es derzeit so aus, dass "aus dem Spreewasser kein größeres Erkrankungsrisiko resultieren würde", so Jan Edler. Doch ob es nach Juli 2027 konkreter wird mit einem Flussbad in Berlins Innenstadtspree, steht weiter in den Sternen. Nicht jedoch für Jan Edler: "Ich hege keinen Zweifel daran, dass dieser Fluss wieder beschwommen wird."

Badeverbot Spree

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